„Pygmalion und Galatea“ von Jacopo da Pontormo und Agnolo Bronzino

Öl auf Holz (81 x 64 cm), um 1529/30, Galleria degli Uffizi, Florenz, Inv. Nr. 1890, N. 9933.

Figurengestaltung und Raumgefüge

In diesem Bild stimmt überhaupt nichts: Galatea ist zu groß und zu muskulös, Pygmalion ist zu klein, das Opferrind auch, der Betrachterhorizont variiert, es gibt widersprüchliche Perspektiven und das Raumgefüge im Bildhintergrund ist nicht einheitlich. Das kleine Bild besteht aus lauter Spielereien mit der Perspektive und der Figurendarstellung, typisch für den Manierismus.

Abb. 1 Pygmalion und Galatea, Florenz, Uffizien.

Wir sehen den Moment des Kniefalls angesichts der Belebung der Statue, doch fallen sofort inhaltliche Unstimmigkeiten auf: die Figur der Galatea wirkt wenig lebendig, sie entbehrt also genau dessen, wovon das Bild eigentlich handelt; allein das Inkarnat zeigt an, dass die Materie beseelt und aus der Statue einer Frau eine lebendige Frau aus Fleisch und Blut wurde. Warum ist die Figur der Galatea so steif und statuesk, obwohl sowohl Pontormo als auch Bronzino in der Lage waren, bewegte Figuren von großer Anmut zu erschaffen?

Dargestellt ist eine Geschichte aus den Metamorphosen des Ovid. Der Künstler Pygmalion verliebt sich in die von ihm geschaffene Statue; während der Rinderopfer beim Venusfest betet Pygmalion zur Göttin, dass sie ihm eine Gefährtin schenken möge, die seiner Statue gleiche. Venus erfüllt seinen Wunsch, indem sie das von ihm gemeißelte Standbild zum Leben erweckt. Das eine zentrale Stellung im Bild einnehmende Rinderopfer belegt die Bezugnahme auf den ovidischen Originaltext, wo es beiläufig erwähnt wird1, im Gegensatz zur italienischen `volgare´-Übersetzung, wo nur allgemein von einem `sacrificio´ die Rede ist.2 Auch die hohe Flamme zeigt an, dass der Künstler hier dem ovidischen Text gefolgt ist. Laut Ovid lodert das Feuer dreimal auf und zeigt so die Anwesenheit der Göttin an, die Pygmalions Wunsch nachkommt.3

Doch der zentrale Bildinhalt weicht vom Textgehalt ab, wo sich die Statue liegend unter Pygmalions Liebkosungen in eine lebendige Frau verwandelt.4 In der Geschichte opfert Pygmalion der Göttin im Opferbezirk, kehrt anschließend nach Hause zurück und legt sich zu seiner Statue ins Bett, die dort unter seinen Küssen zu Leben erwacht.5 Das Wunder vollzieht sich bei Ovid also unmittelbar in einer erotischen Situation. Im Gemälde hingegen ist der Schauplatz nach draußen verlagert. Der manieristisch verzierte Altar ist durch Relief und Inschrift als Venus-Heiligtum kenntlich gemacht.6 Daneben liegen auf einem Schemel Bildhauerwerkzeuge: Der heilige Opferbezirk und die Künstlerwerkstatt werden also analogisiert, ebenso wie auch Galatea und Venus. Pygmalion kniet vor der Statue wie vor einem Standbild der Aphrodite. In der Identifizierung der Galatea mit der Göttin der Erotik mag ein Grund für den leblos-statuesken Charakter der Galatea liegen. Die Venus-Pudica-Pose der Figur zeigt an, dass der Maler sich an realen Statuen der Venus als Vorbild orientiert hat. Wencke Deiters hat in ihrer Dissertation 2002 vorgeschlagen, dass Galatea der Venus Medici bzw. der Mazarin Venus nachempfunden sei.7 Zweifellos erinnert die Haltung der Galatea an kanonische Posen der Venus-Ikonographie. Aber warum ist ihr Körper so männlich geraten?

Abb. 2 Venus Medici, Florenz , Uffizien, Florenz
Abb. 3 Mazarin Venus, J. Paul Getty Museum, Los Angeles.
Beide in klassischen Posen. Es fällt sofort die Ähnlichkeit, aber auch die grundsätzliche Verschiedenheit der Galatea zu diesen kanonischen Venusdarstellungen auf.

Nicht nur die Figuren-, sondern auch die Raumgestaltung gibt Rätsel auf. Die räumliche Staffelung des Bildhintergrundes links von Galatea verträgt sich nicht mit der rechts von Pygmalion. Auch sind der Altar und das Opferrind im Verhältnis zu den beiden Figuren im Vordergrund und zu dem Schemel und der Schale dahinter viel zu klein. Zu dem verzerrten Raum im Bildhintergrund passen die multiplen Betrachterhorizonte. All dies sind keineswegs Fehler, sondern beabsichtigte Experimente. Der Maler hat Figuren und Raum genau konstruiert: Die Kante des Altars verläuft exakt entlang der horizontalen Bildmitte. Verlängert man die Linien, welche die Stufen des kreuzförmigen Sockels bilden, so schließen sie am Bildrand direkt an der Begrenzung des Opferbezirks ab. Die imaginäre Verlängerung der Basis an der Seite der breiteren Stufen trifft fast genau mit dem schmalen dunklen Streifen auf dem Maueransatz zusammen, ebenso die Verlängerung der unteren Stufe. Die Diagonale von der linken oberen Bildecke verläuft genau durch Galateas rechtes Auges, ihre Nasenspitze und ihren Mund auf Pygmalions Schoß zu.

Der Künstler hat sich hier durchaus ein paar Experimente gestattet. Die überlieferten Auftragsumstände lassen vermuten, dass Thema und Gestaltung des Bildes durch den Auftraggeber nicht detailliert vorgegeben waren. Giorgio Vasari schildert in seinem Lebensbericht des Pontormo, dass dieser zur Zeit der Belagerung Florenz' durch die kaiserlichen Truppen Francesco Guardi als Soldaten gemalt hätte. Auf den Deckel für dieses gemeinhein als Der Hellebardier im Getty Museum, Los Angeles, identifizierte Portrait hätte Bronzino ein Pygmalion-Bild gemalt.8 Es handelt sich also nur um einen Bilddeckel, den der Meister nicht einmal selbst gemalt hat, sondern von seinem Schüler ausführen ließ. Wie auch immer die Zuschreibung zu Bronzino zu bewerten ist, die von Vasari beschriebenen Umstände lassen vermuten, dass es sich nicht um ein Auftragswerk von allergrößter Wichtigkeit handelte.

Die Gestaltung der Figuren und die widersprüchliche Raumgestaltung sprechen für die Urheberschaft Pontormos. Vasari betont jedoch ausdrücklich die starke stilistische Ähnlichkeit des jungen Bronzino mit seinem ehemaligen Lehrer. Worin soll diese Ähnlichkeit bestanden haben, wenn nicht in der Nachahmung Pontormoscher Eigenheiten, deren offensichtlichste Merkmale die Gestaltung der Gesichter, die Streckung der Figuren und das alogische Raumgefüge waren?9 Andererseits befinden wir uns in der Frühphase des Manierismus, wo derartige Spielereien noch nicht Allgemeingut waren. Das unstimmige Raumgefüge lässt einen selbstbewussten Künstler vermuten, der den Vorwurf, ihm seien perspektivische und proportionale Fehler unterlaufen, nicht fürchtet. Am wahrscheinlichsten ist wohl die These, dass es sich um ein Gemeinschaftswerk von Pontormo und Bronzino handelt.10

Galatea und der David des Michelangelo

Wer auch immer die Figuren gemalt hat, warum hat er sie so merkwürdig proportioniert? Wenn Galatea die Geliebte des Pygmalion sein wird, warum ist sie dann größer als er? Und vor allem: Warum wird sie mit einem vermännlichten Körper dargestellt? Trotz der auffallenden Schlankheit sind ihre Körperformen ausgesprochen maskulin, nicht nur wegen des langen Oberkörpers, sondern auch wegen der bei Frauen selten ausgeprägten Bauch- und Nackenmuskulatur. Ihre langen Haare sind nur durch die am Hals hinabgleitenden Strähnen zu erkennen. Denkt man sie sich weg, so wird der Betrachter vom Gesicht eines androgynen Jünglings angeschaut. Weder in Pontormos noch in Bronzinos Gemälden finden wir vergleichbare solcherart androgynisierte Frauenfiguren, allenfalls in Pontormos Zeichnungen.11 Neben dem männlich-muskulären Körper fällt die Haltung ihres rechten Armes auf. Dieser weicht vom Venus Pudica-Typus ab. Die Brust wird nicht etwa verhüllt, sondern stattdessen ruht die Hand in einer merkwürdigen Greif- oder Halte-Geste unterhalb des Schlüsselbeins. Diese Geste verleiht der Figur auch keine zusätzliche Anmut, sondern wirkt irritierend. Zudem widerspricht sie jeglicher Darstellungstradition des Venus Pudica-Typus. Die Figur der Galatea übernimmt zwar im Groben die Venus-Pudica-Pose ähnlich der Venus Medici oder der Mazarin Venus, weicht in den Details aber von diesen ab. Vgl. auf Abb. 2 und 3 die Haltung der Hände bei diesen Statuen. Keine weibliche Statue bietet sich hier als Vorbild an.

Eine männliche Statue hingegen schon. Die Haltung der Hände, der Arme, der Kontrapost mit dem leicht angewinkelten Bein finden sich in der bekanntesten Statue der Epoche. Der David Michelangelos, der 1504 auf der Piazza della Signoria aufgestellt wurde, spiegelt Gestik und Haltung der Galatea (vgl. Abb. 4 und 5).

Abb. 4 Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien.
Abb. 5 David von Michelangelo, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Da die Haltung beider Figuren im Kontrapost allgemein geläufig ist und die Ähnlichkeit von daher zufällig sein kann, ist es vor allem die Übereinstimmung in den Details, die Aufmerksamkeit verdient. Die rechte Hand der Galatea mit dem der Schulter zugewandten Daumen entspricht der linken Hand des David mit der Schleuder. Die linke Hand der Galatea, die ihren Umhang hält, ähnelt der Rechten des David, wobei aber Galateas gestreckter Mittel- und Ringfinger abweichen. Der merkwürdige kleine Felssockel, auf dem sie steht, ähnelt in seinen Ausmaßen jenem des David.

Abb. 6 Pygmalion und Galatea, Detail rechte Hand, Florenz, Uffizien
Abb. 7 David von Michelangelo, Detail linke Hand, Galleria dell’Accademia, Florenz.
Abb. 8 Pygmalion und Galatea, Detail linke Hand, Florenz, Uffizien
Abb. 9 David von Michelangelo, Detail rechte Hand, Galleria dell’Accademia, Florenz.
Abb. 10 Pygmalion und Galatea, Detail Füße und Sockel, Florenz, Uffizien
Abb. 11 David von Michelangelo, Detail Füße und Sockel, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Die Wirkung des David nach seiner Aufstellung in Florenz war schon damals überragend. Die 5,17 Meter hohe Statue wurde schlagartig als eines der bedeutendsten Werke seiner Zeit anerkannt, die jeden Vergleich mit antiken Vorbildern aushielt. Sowohl Pontormo als auch Bronzino dürften das Standbild wegen seines prominenten Aufstellungsortes auf der Piazza della Signoria beinahe täglich gesehen haben. Wenn das Zitat einer realen Plastik, vor dem der Künstler Pygmalion als Stellvertreter des Künstlers Pontormo bzw. Bronzino auf die Knie geht, angedacht war, dann gibt es kein berühmteres Werk der Bildhauerkunst als den David des Michelangelo.

Aber wenn das Zitat einer realen Plastik intendiert war, warum dann das Bildnis eines Mannes als Vorbild für die Darstellung der Galatea? Wäre die Nachbildung eines realen Frauenstandbildes, etwa einer der bekannten Venus-Statuen, nicht viel naheliegender und angemessener gewesen? Zweifellos ja. Sollte hier tatsächlich der David in einer weiblichen Statue zitiert sein, dann dürfte dieser kleine Scherz die Bewunderung für Michelangelo als bedeutendsten Bildhauer und Künstler seiner Zeit zum Ausdruck gebracht haben. Darüber hinaus hat dieser Scherz in Gestalt der Galatea, in die der Künstler sich verliebt und die durch die Andeutung der Venus-Pudica-Pose mit der Göttin der Sinnlichkeit analogisiert wird, auch eine erotische Konnotation. Wenn sie in der Modellierung ihres Körpers und in ihrer Haltung an den David erinnern soll, wäre dies ein weiterer Hinweis auf die mutmaßliche Homosexualität des Künstlers. Entsprechende Vermutungen gibt es zahlreiche; sowohl bei Pontormo wie bei Bronzino, aber auch bei Michelangelo selbst.12

Die Figur des David zu verweiblichen hat durchaus seine florentinische Tradition. Bevor Michelangelo ihn zum Inbegriff viriler Schönheit stilisierte, inspirierte die Jugendlichkeit des gegen Goliath antretenden David florentinische Renaissance-Künstler, ihn als feminisierten Knaben darzustellen. Sowohl der David von Verrocchio als auch von Donatello zeigt einen hochgradig verweiblichten Jüngling (vgl. Abb. 12 und 13).

Abb. 12 David, Donatello, Museo Nazionale del Bargello, Florenz,
Abb. 13 David von Andrea del Verrocchio, Museo Nazionale del Bargello, Florenz.

Einer dieser feminisierten David-Darstellungen wird in Bronzinos Portrait des Ugolino Martelli in der Gemäldegalerie Berlin von 1533-36 zitiert (vgl. Abb. 14 und 15). Es handelt sich um die einst Donatello und heute Antonio oder Bernardo Rossellino zugeschriebene Statue in der National Gallery of Art, Washington.13 Diese Tradition mag dem Künstler in Erinnerung gewesen sein, als er Galatea in Anlehnung an den David androgynisiert hat.

Abb. 14 Ugolino Martelli, Bronzino, Berlin, Gemäldegalerie.
Abb. 15 Ugolino Martelli, Detail, Bronzino, Berlin, Gemäldegalerie.

Sollten homoerotische Sehnsüchte in die Galatea eingeflossen sein, so bleibt ihre Darstellung gegenüber der eindeutigen Schilderung bei Ovid geradezu züchtig. Im Gegensatz zu anderen bildlichen Gestaltungen des Mythos, legt Pygmalion nicht etwa Hand an die Schöne, sondern verharrt in ehrfürchtiger Bewunderung. Dies wird im Bildhintergrund symbolisch paraphrasiert aufgegriffen. Der Pygmalion im Hintergrund zugeordnete Baum stirbt ab, sowie er sich Galatea zuwendet. Nur wenn er dem Himmel entgegenstrebt, kann er wachsen (vgl. Abb. 16). Als wolle das Bild sagen: Der Künstler ist nicht dazu bestimmt, sich mit dem Schönen zu vereinigen, sondern das Schöne zu erschaffen und in seinem Schaffen zu preisen.14

Abb. 16 Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien.

Literaturverzeichnis

BERTI, l:. L'opera completa del Pontormo, 1973:

BLÜHM, A., Pygmalion, Ikonographie eines Künstlermythos zwischen 1500 - 1900, Peter Lang, Frankfurt a. M. 1988.

COSTAMAGNA, P.: Pontormo, Mailand 1994.

COX-REARICK, J: The Drawings of Pontormo, 1964 (Pontormo)

DEITERS, W.: Der Paragone in der italienischen Malerei des Cinquecento, Heidelberg 2002.

FORSTER, K.W., Pontormo, Monographie mit kritischem Katalog, F. Bruckmann KG, München 1966.

GUTHMÜLLER, B., Ovidio Metamorphoseos vulgare. Formen und Funktionen der volkssprachlichen Wiedergabe klassischer Dichtung in der italienischen Renaissance, Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1981.

McCORQUODALE, Bronzino, Jupiter Books, London 1981.

VASARI, G., Die Lebensbeschreibungen der berühmtesten Architekten, Bildhauer und Maler, VI. Band. Die Florentinermaler des 16. Jahrhunderts, Gottschewsky / Gronau / Heitz (Hrsg.), Heitz und Mündel Verlag, Straßburg 1906.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Pygmalion und Galatea, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale, Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

Abb. 2: Venus Medici, Florenz , Uffizien, Florenz, Inv. Nr. 224.

Abb. 3: Mazarin Venus, J. Paul Getty Museum, Los Angeles, Inv. Nr. 54. AA.11.

Abb. 4: Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

Abb. 5: David, Michelangelo, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Abb. 6: Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

Abb. 7: David, Michelangelo, Detail, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Abb. 8: Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

Abb. 9: David, Michelangelo, Detail, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Abb. 10: Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

Abb. 11: David, Michelangelo, Detail, Galleria dell’Accademia, Florenz.

Abb. 12: David, Donatello, Museo Nazionale del Bargello, Florenz, Aufnahme von Patrick A. Rodgers.

Abb. 13: David, Andrea del Verrocchio, Museo Nazionale del Bargello, Florenz, Aufnahme von Patrick A. Rodgers.

Abb. 14: Ugolino Martelli, Bronzino, Berlin, Gemäldegalerie.

Abb.15: Ugolino Martelli, Detail, Bronzino, Berlin, Gemäldegalerie.

Abb. 16: Pygmalion und Galatea, Detail, Florenz, Uffizien, Abb. aus McCorquodale Bronzino, 1981 (Bronzino / Pontormo).

  1. Vgl. Ovid, Metamorphosen X, 270-272.
  2. Vgl. Blühm (1988, 35), der die Editionsgeschichte der Metamorphosen im Italien der frühen Neuzeit kurz skizziert; sowie auch Moog-Grünewald (1979, 20-23). Vgl auch Guthmüller (1981), dessen Buch eine hervorragende Übersicht des Verhältnisses von vulgärer und gelehrter Ovidrezeption in Spätmittelalter und früher Neuzeit gewährt. Er argumentiert, dass nicht nur reformatorische Eiferer, sondern auch die humanistischen Kreise, in denen die gebildeteren Künstler verkehrten, eine christliche Allegorisierung der Metamorphosen ablehnten und allgemein Vulgarisierungen lateinischer Texte sich dort keiner Beliebtheit erfreuten (a.a.O., 189f.).
  3. Vgl. Ovid, Metamorphosen X, 279.
  4. Vgl. Ovid, Metamorphosen X, 280-294.
  5. Viele malerischen Bearbeitungen des Mythos weichen in diesem Punkt von Ovid ab. Eine im Bett liegende Statue wäre für den Betrachter kaum als Statue zu erkennen. Außerdem geben viele Maler der Galatea den Anschein, eine gemeißelte Figur aus Marmor zu sein, anstelle einer geschnitzten aus Elfenbein wie bei Ovid. Diejenigen Maler, die sich auf den Augenblick der Verwandlung konzentrieren, müssen die Figur also einerseits stuarisch, andererseits lebendig wirken lassen. Dies erreichen sie oftmals dadurch, dass die Figur die kanonische Pose einer weiblichen Statue einnimmt und diese Pose durch eine Abweichung der Arme oder der Beine variiert und somit zu erkennen gibt, dass sie sich gerade bewegt. Auch im vorliegenden Gemälde nimmt die Figur der Galatea eine kanonische Pose ein. Die einzige Abweichung von dieser besteht in der merkwürdigen Haltung der rechten Hand. Diese erweckt aber nicht den Eindruck, sich gerade bewegt zu haben. Vgl. zur bildnerischen Gestaltung des Mythos Andreas Blühm, Pygmalion, Ikonographie eines Künstlermythos zwischen 1500 und 1900, Frankfurt, Bern, New York 1988.
  6. Das Relief zeigt Venus wie sie Paris den Erisapfel überreicht. Die Inschrift des Altars ist eine Preisung der Venus. Vgl. dazu Blühm (1988, 36 Anm. 13) unter Berufung auf Rudolf Wildmoser; Deiters (2002, 117) sowie Clapp (1916, 182).
  7. In jedem Fall lässt das eine subjektive Äußerung des Künstlers fordernde Pygmalionmotiv eine originelle Bearbeitung erwarten. Wencke Deiters arbeitet den angesichts der Thematik naheliegenden Bezug zum zeitgenössischen Paragone-Diskurs heraus und deutet das Bild als eine Stellungnahme der Maler Prontormo und Bronzino zum Wettstreit zwischen der Malerei und der Bildhauerei. Vgl. Deiters 2002, S. 89-120.
  8. "Ebenso portraitierte er zur Zeit der Belagerung von Florenz den Francesco Guardi im Kriegerkleid, welches ein wunderschönes Werk war; und dann malte Bronzino auf dem Deckel des Bildes Pygmalion, wie er zu Venus betet, dass die von ihm gefertigte Statue Atem erhielte, sich belebe und (wie es danach dem Dichtermärchen geschah) von Fleisch und Blut würde". Vgl. Vasari 1906, 228 Vgl. Vasari, Vite (Ausgabe Milanesi), Bd. VI, S. 275.
  9. Dass die Erwähnung des Bildes in dem Bronzino gewidmeten Abschnitt ausbleibt, ist nicht der einzige Grund gewesen, die Attribution immer wieder anzuzweifeln. Aber warum sollte Vasari, wäre ihm in der ersten Ausgabe seiner Viten ein Fehler unterlaufen, auf den ihn Bronzino sicherlich hingewiesen hätte, diesen in der zweiten Ausgabe wiederholen? Dies spricht dafür, dass Bronzino an der Ausführung des Bildes wenigstens mitgearbeitet hat.
  10. Entsprechend der Auswertung der Fachliteratur im Katalogtext von Blühm (1988, 174) ergibt sich folgende Gewichtung: 11 Autoren folgen der Attribution Vasaris, 7 schreiben es Pontormo zu, 3 vermuten eine Zusammenarbeit beider. Costamagna, der nach über dreißig Jahren der erste Wissenschaftler war, der ein ausführliches Werkverzeichnis zu Pontormo zusammengestellt hat. nimmt Pygmalion und Galatea im Katalogteil als eigenständiges Werk des Pontormo auf. Vgl Costamagna 1994, S. 213.
  11. Pontormos Venus und Cupido aus der Galleria dell'Accademia, Florenz, von 1533 zeigt die Venus mit einem Körperbau, der gleichfalls eine leicht männliche Anmutung hat. Es handelt sich hier aber nicht um seine Invention, sondern das Gemälde folgt einer Zeichnung Michelangelos, vgl. auch Berti, L'opera completa del Pontormo, 1973, Katalog 124. In seinen Zeichnungen hat Pontormo mehrfach die Tendenz gehabt, weibliche Körper zu vermännlichen. Vgl. die Studie zu den Drei Grazien in den Uffizien, Florenz, vgl. auch Cox-Rearick, The Drawings of Pontormo, 1964.
  12. Zu Pontormo sei stellvertretend auf Forster 1966, 81 verwiesen. Bei Michelangelo werden neben den zahlreichen Hinweisen in seinem Oeuvre die intimen Sonette für seinen Schüler Tommasso de Cavalieri als Stütze für die Hypothese von seiner Homosexualität angeführt. Homoerotische Tendenzen gibt es auch in den Gedichten Bronzinos.
  13. Die Zuschreibung ist nicht final geklärt. Eine Kleinbronze im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin ist in ihrer Gestalt weitgehend identisch mit der Statue in Washington. Die Kleinbronze ist womöglich nach einem Wachsmodell Donatellos angefertigt, das wiederum als Studie für den Washingtoner David gedient hätte. Demnach hätte der gealterte Donatello den David in der National Gallery of Art in Washington entworfen, aber die Ausführung seinem Schüler Desiderio da Settignano überlassen. Vgl. Berlin, Staatliche Museen, Skulpturensammlung, Inv. SKS 2262.
  14. Will man der Vermutung folgen, dass hier tatsächlich der David zitiert würde, wäre dies keine Bekräftigung des Bezugs auf den Paragone. Denn eine Hommage bzw. der Kniefall der Maler Pontormo und Bronzino vor dem Bildhauer Michelangelo wäre kaum als ein Nachweis der Überlegenheit der eigenen künstlerischen Gattung zu werten. Dabei spielt keine Rolle, dass Michelangelo auch als Maler von überragender Bedeutung war, denn in dem Gemälde würde er als Vertreter der Bildhauerkunst angesprochen. Zudem bekommt das Bild durch die Anähnelung der Galatea an den David einen scherzhaften Charakter, der sich mit dem Wettstreit der Künste, in dem die jeweils eigene ausgeübte Kunst natürlich die Oberhand gewinnen soll, nicht vertrüge.

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